Sage-Haast: Dem Wandel anpassen

Nicht die Stärksten, sondern die Anpassungsfähigsten überleben, warb Siegfried Göhner mit diesem Zitat aus der Evolutionstheorie Charles Darwins auf der Bezirksversammlung des Pferdestammbuchs Weser-Ems für eine Zusammenlegung mit dem Ponyverband Hannover. Die Züchter votierten anschließend eindeutig.  

Kein Zweifel: die im Raum stehende Frage, ob das Pferdestammbuch Weser-Ems mit dem Ponyverband Hannover verschmelzen soll, treibt die rot-gelben Züchter um. Anders sind die zahlreichen Gäste auf der ersten von insgesamt fünf Bezirksversammlungen des Pferdestammbuchs Weser-Ems in Sage-Haast nicht zu erklären. Unter dem Tagesordnungspunkt sollte dazu diskutiert und ein Stimmungsbild der Basis abgefragt werden. Ob es einen Zusammenschluss geben wird oder nicht, so klärte der Nordoldenburger Bezirksvorsitzende Timo Coldewey das Auditorium auf, entscheide dann satzungsgemäß die Delegiertenversammlung im Mai.

Dass Handlungsbedarf besteht, daran ließ der Jahresbericht von Geschäftsführerin und Zuchtleiterin Mareile Oellrich-Overesch keinen Zweifel. Zwar waren die Erfolge der Ponys aus Weser-Ems auch im zurückliegenden 2018 wieder aller Ehren wert. Aber die nackten Zahlen des nun im 70. Jahr bestehenden Verbandes legen eher einen Existenzkampf als ein „Weiter so!“ nahe. Stichwort Mitgliederschwund: „2009 hatten wir 2.695 Züchter. 2018 sind es gerade mal noch 1.207 Züchter, wobei die Zahl gegenüber dem Vorjahr (1.243) erneut rückläufig ist.“ Nicht minder besorgniserregend der Kurvenverlauf bei den eingetragenen Zuchtstuten: „Zwar gab es mit 1.467 ein leichtes Plus (24) gegenüber den 1.443 Stuten aus 2017.“ Aber auch hier liege der Wert deutlich unter der Marke aus 2009 (1.724). Die Bedeckungszahlen seien ebenfalls leicht nach oben gegangen: „873 bedeuteten 21 mehr als 2017, aber doch 168 weniger als 2009.“ Der anhaltende Abwärtstrend spiegele sich, so die Zuchtleiterin und Geschäftsführerin weiter, natürlich in einer dünner werdenden Finanzdecke wider. „Mit den getroffenen Gegenmaßen Personalabbau, Gebührenerhöhung, dem Zusammenlegen von Schauen und dem Wegfall von Service-Leistungen wie zum Beispiel dem Weser-Ems-Casting als Talent- und Verkaufsplattform ist aber nun endgültig die Schmerzgrenze erreicht.“

Also was tun? Vielleicht doch über die von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer Verschmelzung von Weser-Ems und Hannover zu einem Niedersächsischen Ponyverband nachdenken? Ja!!! sagt Mareile Oellrich-Overesch ohne Umschweife, zumal man sich auf Augenhöhe begegne: „Beide Verbände liegen im selben Bundesland, verarbeiten ihre Daten im selben Rechenzentrum (VIT) und besitzen identische Zuchtprogramme und Verbandsstrukturen. Auch die Zahl der Mitglieder und Zuchttiere ist vergleichbar.“

Schon im vergangenen Jahr schien den Delegierten beider Verbände eine gemeinsame Zukunft nicht abwegig, stimmten sie doch der Aufnahme von Sondierungsgesprächen einstimmig zu. Der dazu gebildete Arbeitskreis aus Vorstandsmitgliedern, Delegierten und den beiden Zuchtleitern Mareile Oellrich-Overesch und Volker Hoffmeister für Hannover legte nun seine Hausaufgaben vor, wobei sich alle Beteiligten beim Vortrag ihrer Nutzwertanalyse streng an den Konjunktiv hielten. Schließlich wolle man, wie Egon Wichmann, erster Vorsitzender in Weser-Ems, es formulierte, so der brodelnden Gerüchteküche um ein „Geschluckt werden“ klar den Nährboden entziehen und andererseits auch der Entscheidung der Delegierten nicht vorgreifen, sondern möglichst alle mit ins Boot holen.

Dass die See aber in Zukunft rauer werde, daraus machte Egon Wichman keinen Hehl, zumal die „seit 19 Jahren funktionierende Zusammenarbeit mit dem Großpferdeverband Oldenburg, dessen Untermieter das Pferdestammbuch im Auktionszentrum in Vechta ist, keine Selbstverständlichkeit und womöglich bald in dieser kollegialen Form auch nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.“

Keine Veränderung ohne bürokratische Hürden. Im Falle einer Zusammenlegung der beiden Zuchtverbände, so führte Egon Wichmanns Vorstandskollege Siegfried Göhner aus, böten sich grundsätzlich zwei Wege an: einmal gemäß BGB (Bundesgesetzbuch) und einmal gemäß Vereins-Umwandlungsgesetz. „Nach dem BGB müssten beide Verbände aufgelöst und ein neuer Verband gegründet werden - mit allen rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Konsequenzen, die solche Schritte nach sich ziehen.“ Mit deutlich weniger Aufwand sei dagegen eine Verschmelzung gemäß Umwandlungsgesetz (UmwG) verbunden. „Beide Verbände gehen in einem neuen Verein auf.“

Und wie könnte nun eine Zusammenarbeit konkret aussehen? „Das oberste Ziel ist, die Betreuung der Züchter vor Ort zu gewährleisten“, stellte Mareile Oellrich-Overesch unmissverständlich klat. Dazu sollen die beiden Geschäftsstellen in Hannover und Vechta auch hinsichtlich des derzeitigen Personals erhalten bleiben. Einsparungsmöglichkeiten ergäben sich durch Synergieeffekte: „So könnte in der einen Geschäftsstelle der komplette Passdruck und in der anderen die Pflege der gemeinsamen Internetseite erfolgen, um hier nur mal ein Beispiel zu nennen.“ Durch die größere Population ergäben sich außerdem attraktivere Vermarktungsplätze.

Und es gäbe noch einen weiteren Anreiz. So würde die Landwirtschaftskammer das Gehalt eines zukünftig gemeinsamen Zuchtleiters mittragen. Bislang kam nur der Hannoversche Verband in diesen Genuss. In Weser-Ems musste das Zuchtleitergehalt aus den Mitgliedsbeiträgen und Gebühren selbst erwirtschaftet werden. Wenn der Hannoversche Zuchtleiter Volker Hofmeister 2021 in Rente geht, könnte sein „Niedersächsischer“ Nachfolger von der Landwirtschaftskammer mitfinanziert werden. Mit diesem Angebot wolle man aber nicht als „Fusionstreiber“ auftreten, zitierte Egon Wichmann den zuständigen Leiter des Fachbereichs Tierzucht der Landwirtschaftskammer in Oldenburg, Dr. Ludwig Diekmann.

In der anschließenden Diskussion mit den Mitgliedern war vornehmlicher Tenor die Sorge, zukünftig zu weite Wege in Kauf nehmen zu müssen und den eigenen Körplatz in Vechta oder die Stuten- und Fohlenschau in Hude-Wüsting einzubüßen. Hier schaltete sich Timo Coldewey ein, der auch Mitglied des Arbeitskreises war: „Derart konkrete Fragen wurden noch gar nicht behandelt. Es ging uns im Arbeitskreis in erster Linie darum, die Rahmenbedingungen abzustecken, unter denen ein Zusammenschluss überhaupt für uns denkbar ist.“ Erst, wenn die Züchter und dann eben auch als ihre Vertreter die Delegierten grünes Licht gäben, könnten diese Details ausgehandelt werden.

Und die Züchter im Bezirk Nordoldenburg gaben in der anschließenden Probeabstimmung grünes Licht: Ohne Gegenstimme sprachen sie sich für eine Zusammenarbeit mit dem Ponyverband Hannover aus. Die fünf Delegierten boten Gesprächsbereitschaft so, so denn Mitglieder nicht im öffentlichen Rahmen der Bezirksversammlung ihre Bedenken äußern wollten.

Nun müssen die Weser-Ems-Vorständler noch auf vier weiteren Bezirksversammlungen Überzeugungsarbeit leisten. Nächste Station ist die Bezirksversammlung am 12. März in Melle. Der Anfang ist aber gemacht!!